25 Juni, 2007

Der Fall: Episode 17

follows soon

24 Juni, 2007

Der Fall: Episode 16

Jetzt ist mir klar, wie man jeden Tag 1000km schafft. Stau am Irschenberg - mit Blaulicht und Lalü-Lala einfach durch. Das GPS zeigt meist 170, als Spitzenwert bergab 182km/h. Da steht die Tachonadel bestimmt schon jenseits der 200. Außerdem chauffierten Max und Moritz ihren fahrbaren Backofen heute schon 330km von München nach Cortina.

Max geht mir auf den Senkel mit seinen Geschichten und dauernden Sticheleien gegen Moritz, den er für schwul hält. Moritz hört's ja nicht, er sitzt durch Fenster getrennt in der gut durchlüfteten Fahrerkabine, die weißen Stöpsel in den Ohren, und erfreut sich an Überholspur und Martinshorn. Hoffentlich lösen die sich bald am Steuer ab. Moritz labert nicht so viel.

Nach weiteren zwei Mal jeweils einer Flasche Cola statt Obst (das nun wirklich auf jeder Raststätte erhältlich ist) und öffentlicher Zurschaustellung meine Gipsklumpens nähern wir uns mit drei heißen, halbvollen Colaflaschen und einem heißen Bein im heißen KTW Berlin - Ausfahrt Ku'damm. Die Liebste hat nach vielen Telefonaten ein Plätzchen im ultimativen Knochenflicker-Krankenhaus reserviert, ich habe Moritzens TomTom auf Caspar-Theys-Straße statt Benjamin-Franklin-klinikum umprogrammiert und nach 9 Stunden wurden mein Gips und ich wieder ausgeladen. Ich hab's geschafft - alles ohne Piss-Ente!

18 Juni, 2007

Der Fall: Episode 15

Jetzt mussten mal angenehmere Gedanken her, legen wir nochmal den Chip mit dem Augenfilm ein:

In den zweieinhalb Tagen vorm Fall befuhr ich auf knapp 1300km so ziemlich alles, was Spaß macht und Kurven hat. Jenesien, Penser, Jaufen, Kaiserstraße, rüber zum Gardasee, die göttliche Supermoto-Strecke von Gargnano zum Idrosee, Brocon, Vezzena. Schneeregen und 1 Grad um 19:00 auf dem Sella. Außer dort, um nicht zu erfrieren, und auf dem Manghen (Polenta mit Hauswurst, manchmal noch ein Crambambuli mit Espresso, ist persönlicher Kult) wurde auf keiner Passhöhe angehalten. Zu viele herumstehende Selbstverpfleger aus dem Topcase. Viele Espressi und der eine oder andere Imbiss wurden in Cafés und Trattorien in kleinen Dörfern genossen, wo keine Touris und Beika störten.

Abends war im Hotel immer gerade noch das Fünfgangmenü zu bekommen, wenn ich es 3 vor 8 beim Reinstürzen noch vorm Umziehen orderte. Werde die nächsten 5 Wochen bei jedem Krankenhausfraß-Vorsetzen weinen.

Unterdessen sind wir schon an Kufstein vorbei. Der Bildschirm über meinem Kopf zeigt in großen bunten Buchstaben "MALTESER", das rote Akvavit-Kreuz, Zeit, Datum und Innentemperatur. Diese pendelt zwischen 34 und 38 Grad. Wie war das? Hoch und kühl lagern!

Pause: Max und Moritz müssen wieder rauchen, derweil wird durch alle Türen und Klappen frische Luft in den KTW gelassen. Max und Moritz haben Hunger. Ob sie mir was mitbringen sollen? "Ja, Obst". Holländer und sächselnde Ostrentner glotzen rein. "Huhu!". Zehn Minuten später bekomme ich eine Flasche Cola. "Obst gab's nich!".

17 Juni, 2007

Der Fall: Episode 14

Vorm Verladen stellten sie sich immerhin noch vor. Nennen wir sie Max, der Sanitäter, und Moritz, der Zivi bzw. FSJler.

Wir befanden uns wieder am Lieferanteneingang. Moritz rangierte den rot-gelben VW-Bus mit Hochdach und "ADAC-Rückholdienst"-Beschriftung rein. Es stank nach kaputtem Kühlschrank.

Ich wurde reingeschoben, Max fläzte sich in den Begleitersessel und ab gings. In der ersten Kurve fiel der Fuß samt Gips nach links. Aua! Max stellte das schwere Gips-Kunstwerk wieder gerade. Ich hatte noch den Hinweis in den Ohren, dass das Bein hoch und kühl gelagert werden soll. Max legte ein weiches Kissen drunter. OK, 8mm höher lag es jetzt, dafür umso labiler. Eine Schiene zum Hochlegen war nicht an Bord. Warum auch, meinte Max. Man hätte ihm gesagt, es wäre nur ein schlimmer Fuß abzuholen. Sonst hätte er so etwas selbstverständlich eingeladen. Er versuchte, den rumfliegenden Gips mit einer Decke zu bändigen - vergebens.

Dann öffnete er erst mal eine Tupperdose und löffelte sein zweites Frühstück - Blumenkohlsalat. Für mich blieb der unangenehme Geruch von Kohl. Das Garmin und Telefon lagen in Reichweite. Garmin sagte, dass wir nördlich fahren, wahrscheinlich über Bruneck nach Brixen. Keine wesentlichen Pässe, aber viele Kurven, die das Bein nach links und rechts knicken ließen.

Es geht aufwärts. Je höher wir kamen, desto wärmer wurde es. Max stellte fest, dass die Klimaanlage nur noch warme Luft rauspustet. Das war also der Kaputter-Kühlschrank-Geruch.

Blick aufs GPS: Noch 20 km bis zur Brennerautobahn. Blick zum Krankenwagenhimmel: Ein fetter Riss. "Das ist aber 'ne alte Karre, bricht schon durch und Klimaanlage im Eimer". Max: "Nein, ist eineinhalb Jahre alt. Hat allerdings schon 577.000 km runter". Upps, wie schafft man 1000km pro Tag? Max schläft wieder ein, den Gips halte ich unterdessen krampfhaft selbst fest.

Der Fall: Episode 13

Das Aufwachen führte wegen der Postkarte vorm Fenster wieder zu kurzer Verwirrung, die schon laufende Show im TV erinnerte mich aber wieder schlagartig an meine derzeitige Lokation.

Nach dem Frühstück (nur Kaffee getrunken - ich will keine Bettpfanne) bei der Visite erfuhr ich beiläufig, dass heute der Tag der Abreise sei. Sofort beim ADAC Mailand angerufen und erfahren, dass ich um 10 geholt werde. Ein Flug werde es trotz über 1000km nicht. Derweil organisierte die Liebste in Berlin einen Krankenhausplatz.

Um 11 lag ich immer noch zwischen Postkarte und der unterdessen eingetroffenen Großfamilie des fingerlosen Bettnachbarn. Jeder brachte etwas zum Essen mit. Als sei es eine Krankenstation im Busch ohne Vollpension. Der Arme wird spätestens Mittwoch platzen. Wäre schön, wenn ich bis dahin weg bin.

Um 11:20 war es dann so weit. Ein rot und ein weiß Gekleideter stürzten rein, als müssten Geiseln aus einem Schurkenstaat befreit werden oder zumindest deutsche Staatsbürger dem Zugriff von Dritte-Welt-Medizinmännern entrissen werden. Ich fand diesen poltrigen Auftritt unmöglich. Der rot gekleidete war wohl der Chef, der weiß gekleidete der Zivi bzw. FSJler. Er war auch der zivilisiertere von beiden. Dem roten gefiel wohl meine Decke mit dem eingestickten Namen der Pucci-Klinik. Die wurde mit einem Spruch wie "Die ist meine" einfach eingesackt. Sammelt der die, ist er Deckenkleptomane oder finanziert sich so der Malteser-Hilfsdienst?

Zum Abschied vom wirklich netten Pflegepersonal blieb keine Zeit, die schmissen meine Habseligkeiten neben mich ins Bett, schoben mich gleich in den Fahrstuhl und weg war ich. Manche Landsleute sind einfach peinlich.

14 Juni, 2007

Der Fall: Episode 12

Da hat er extra einen sehr langen Sonntagsausflug durch die eigene Heimat unternommen, um einen Expertenblick auf Bein und Röntgenbilder zu werfen. Außerdem konnte er mit dem Arzt sprechen und mir auch Feinheiten übersetzen. Willi, der sonst in Meran Ski- und Motorradfahrerknochen wieder zusammensetzt, runzelte allerdings die Stirn wegen des fest verschnürten Beins, das eigentlich für die Schwellungen viel mehr Platz und vor Allem Kühlung benötigte.

Er hatte soooo recht, wie sich später zeigte. Er brachte es verständlicherweise nicht übers Herz, als fremder Jungarzt dem zuständigen Altarzt einen Fehler vorzuwerfen.

Außerdem konnte Willi noch ein logistisches Problem lösen, indem er die Hotel- und Autoschlüssel 100km über die Berge nach Steinegg brachte und dort die Rechnung beglich.

Der ADAC rief wieder an. Man wusste immer noch nicht, wann und wie man mich nach Berlin bringen könne. Und wo das Motorrad abgeblieben ist, wisse man auch nicht. Ich beichtete, dass ganz woanders auch noch ein Auto stünde und man die Buell, so sie gefunden wird, einfach dort reinstellen könne. Dann müsste nur ein Fahrzeug rücktransportiert werden.

Die nächste Nacht begann. Schmerzmittel und der Sound von platten Fernsehshows ließen mich relativ gut schlafen. Im Gips kocht und brodelt es. Die Knochenteile müssen beim Absturz den Muskeln und Gewebe im Unterschenkel mächtig zugesetzt haben,

13 Juni, 2007

Der Fall: Episode 11

In der Nacht hatte ich wildes Hirnkino. Daran werden wohl die Schmerzmittel, die unentwegt aus dem Tropf tropften, nicht unbeteiligt gewesen sein. So ging es auch die nächsten Nächte weiter. Wenigstens gab es im Schlaf keine Langeweile.

Sonntag. Da liegt man rum und grübelt. Am besten den Fall mal genau analysieren und alles aufschreiben, dann bringt Grübeln auch Ergebnisse.

Ich konnte durchs Fenster nur die veränderbare Postkarte sehen. Die Stadt war nur akustisch wahrzunehmen. Das typische Gehupe, aber auch die vielen Sounds unterschiedlicher Motorräder drangen herein. Bollernde Eintöpfe, seltener kreischende 4Zylinder, was hier fast immer Hornets sind. Touri-Moppeds sind gemeinhin unhörbar. Zwischendurch mal ein V2, meist Ducatis. Da habe ich immer gleich das Bild vor Augen, wie sich senkrecht aufsteigenden dicken Rohre zum Underseat-Dämpfer durchs Rahmengeflecht würmeln.

Da! Wieder so eine tonschöne 998. Kommt näher. Fährt offensichtlich viele Spitzkehren. Nee, ist keine Duc. Die Zündabstände sind anders, die Schaltdrehzahl niedriger. Dann ist sie ganz nah und wird abgestellt. Das muss direkt unter meiner Postkarte sein. Ein letztes Schnüff-Ansaug und Poff-Absaug - die Vermutung bestätigt sich. Das kann nur eine Buell mit adäquater Abgasanlage sein!

Zwei Minuten später steht Willi im Raum. Auch ihn erreichten offenbar die Buschtrommeln. Als er in Moppedmontur reinkam, wurde er vom Personal auch ohne Fragen gleich in mein Zimmer geschickt. Welch Freude!

Der Fall: Episode 10

Der Tag des Falls geht zu Ende. Es wird dunkel über Cortina d'Ampezzo. Die erste Nacht mit kaputtem Bein. Bettnachbar schaut Shows.

Ein kurzes Trost-Telefonat noch mit der Liebsten und wieder mal festgestellt, dass ein Handyakku immer dann zur Neige geht, wenn er dringend gebraucht wird und keine Lademöglichkeit in der Nähe ist. Angesichts der noch bevorstehenden Telefonate hieß es: Kurz fassen!

Das Bein schmerzt höllisch und kocht vor sich hin.

So ist also Krankenhaus. Anlässlich meiner Geburt und dann als Fünfjähriger mit Leistenbruch bin ich zum letzten Mal im Krankenhaus gewesen. Bis auf Zahnarztbesuche beschränkten sich Arzttermine aufs Abholen von Rezepten für Malariaprophylaxe und Gelbfieberimpfungen - im Sanitaswesen bin ich also absolutes Greenhorn. Das wird sich in den nächsten Wochen ändern.

Ach ja, bin ja heute das zweite Mal in Cortina. Bei der ersten Einfahrt wurde ich auch noch dauernd von anderen Moppeds überholt, was sonst äußerst selten passiert. Warum? Zwischen Falzarego und Pocol stand ein nicht gerade kurzer oder leichter Typ aus Ösiland neben seiner luftlosen LC8 und winkte mich ran. Ich halte natürlich an, weil ich Reifenstöpsel dabei hatte. Weil es aber Schlauchreifen waren, wo die Flickmethode nicht funktioniert, sprang er einfach hinten drauf und meinte "Nächste Tankstelle in Cortina". Ich bin zu weichherzig. Eine S1-Einsitzer hätte jetzt Punktevorsprung. Dann hatte der Typ auch noch Körperkontaktphobie und wollte sich nicht richtig an mir festhalten, so dass es ein Graus war. Wackelpuddingtransport mit Verlustängsten. Und das Schlimmste: Erst als er abstieg, sah ich, dass er die Rasten nicht runtergeklappt hatte. Daher dieses Rumgeeiere!

08 Juni, 2007

Der Fall: Episode 9

Klar hätte die Hinterradbremse mehr Wirkung gezeigt, wenn ich sie nicht blockiert hätte. Aber Solo-Hinterradbremsen habe ich nie trainiert, welchen Anlass gäbe es auch dafür? Ich kann nur - abgestimmt auf die Fahrbahnhaftung - jederzeit und schlagartig das Vorderrad beim Bremsen zum Wimmern bringen und bin sicher, dabei auf trockener Straße jeden ABS-Bremser zu unterbieten, selbst beim Notbremsen in Schräglage..

Aber die 6 Kolben der Bremszange hatten ja ihren Dienst vollständig eingestellt - der Befehl vom Master-Kolben in der Handpumpe kam bei ihnen nicht an.

Übertragungsmedium ist in meiner Buell Bremsflüssigkeit vom Typ DOT 5, trotz sehr langer Wechselintervalle gerade im letzten Jahr getauscht. Das ist dieses nicht-hygroskopische Zeug auf Silikonöl-Basis , dem Erik wohl auch nicht so traute, denn spätere Buell haben DOT 4 (DOT 5.1 ginge auch, sh. Buell-FAQ) , das Wasser in Lösung nehmen kann.

Die meisten, die das ganz plötzliche Bremsenversagen kennen gelernt hatten, fuhren DOT 5. Meine Theorie dazu:

Irgendwie kann und muss Luft in den Vorratsbehälter gelangen, denn mit dem Verschleiß der Beläge sinkt der Flüssigkeitsstand. Eventuell gelangt ein Teil der vielleicht feuchtwarmen Luft auch mal unter die Gummimembran, worauf sich ein paar H2O-Moleküle in einer kalten Winternacht kondensierten und in die Bremsflüssigkeit fielen. DOT 4 oder 5.1 assimilieren das Minitröpfchen und nach vielem, vielem Bremsen sind die Wassermoleküle gleichmäßig in der gesamtflüssigkeit verteilt. Es ist immer nur ein kleiner Teil des Ur-Tröpchens in der Bremszange.

Ganz anders das Ur-Tröpchen in DOT 5. Hier wird keine Verbindung eingegangen. Wasser ist schwerer als das Silikonöl und irgendwann sitzt die winzige H2O-Molekülansammlung unten in den Stoppern. Während des Bremsens, wenn die Hitze von der glühenden Bremsscheibe über die Beläge an die Kolben und Zange gegeben werden, kann das Wasser gegen den Druck nicht aufkochen. Die letzte Serpentine konnte noch voll und mit wenig Hebelweg angebremst werden. Die Bremse wurde nicht weich. Aber auf den 800m zum nächsten Bremspunkt kochte das Ur-Tröpchen in der Drucklosigkeit auf, das nötige Volumen wurde durchs Zurückdrücken in den Vorratsbehälter geschaffen und auch 10maliges Pumpen reichte dann nicht mehr, das Dampfbläschen zu komprimieren. Übrigens hat die Bremse jetzt nach 5mm wieder kräftigen Widerstand

07 Juni, 2007

Der Fall: Episode 8

Seitwärts und aufrecht in die Leitplanke einzuschlagen, war auf jeden Fall besser als frontal, weil es die Gabel schont und der Flug nicht ganz so weit ging. Schließlich ging es hinter der Leitplanke steil bergab. Vorher ablegen, wenn eine Leitplanke droht, wäre das Blödeste, was man man tun könnte. Es hat schon mehr als einen Motorradfahrer dabei schlicht zerteilt, wenn er an die Planken-Füße geschleudert wurde.

So cool, jetzt noch schnell Beinchen zu heben, war ich dann doch nicht. Beim Aufprall war das linke Bein also noch zwischen Planke und Rahmen und wurde dabei ziemlich zerquetscht, die kinetische Energie zog mich gleichzeitig weiter nach links über die Planke und nach einer gewissen Flugstrecke kugelte ich, was ich ganz bewusst wahrnahm, die steile Böschung runter. Es staubte auch mächtig.

Es war wohl nicht sehr schlau von mir, sofort wieder mit dem Aufstieg zu beginnen, denn am Anfang spürt man keinen Schmerz. Erst als das Hangkraxeln nicht so recht erfolgreich war, merkte ich, dass der linke Fuß nutzlos an der Hose hing.

So sind wir wieder bei Episode 1.

Was war nun mit den Fotos, die jemand mit meiner Kamera geschossen hatte und die ich ich mir nun im Krankenbett anschaute? Das eine zeigte zwei Finger des netten Fotografen, die ohne Kraftaufwand den Bremshebel an den Gasgriff legten. Beweis für das Vorliegen des typischen Buell-heiße-Bremse-Syndroms, das schon so viele erlebt haben. Es kann 15 Minuten dauern, bis wieder Druck aufgebaut werden kann.

Auf dem anderen Bild war die Bremsspur sichtbar, die zeigte, dass auf langer Strecke geradeaus nur Geschwindigkeit abgebaut wurde (unglaublich, wie wenig das verzögert) und im letzten Moment mit weiterhin blockiertem Hinterrad der Haken in die Kurve geschlagen wurde. Ich war etwas stolz auf mich.