01 Oktober, 2007

Vier Monate später

Die Gehfähigkeit ist noch nicht wiederhergestellt - 2 Krücken sind ständige Begleiter.
Habe mal das GPS-Gerät entladen und eine Blick auf die letzten Minuten geworfen:
Finale GPS-Aufzeichnung in google Earth.
Die letzte lange Gerade gab der Bremse den Rest.

25 Juni, 2007

Der Fall: Episode 17

follows soon

24 Juni, 2007

Der Fall: Episode 16

Jetzt ist mir klar, wie man jeden Tag 1000km schafft. Stau am Irschenberg - mit Blaulicht und Lalü-Lala einfach durch. Das GPS zeigt meist 170, als Spitzenwert bergab 182km/h. Da steht die Tachonadel bestimmt schon jenseits der 200. Außerdem chauffierten Max und Moritz ihren fahrbaren Backofen heute schon 330km von München nach Cortina.

Max geht mir auf den Senkel mit seinen Geschichten und dauernden Sticheleien gegen Moritz, den er für schwul hält. Moritz hört's ja nicht, er sitzt durch Fenster getrennt in der gut durchlüfteten Fahrerkabine, die weißen Stöpsel in den Ohren, und erfreut sich an Überholspur und Martinshorn. Hoffentlich lösen die sich bald am Steuer ab. Moritz labert nicht so viel.

Nach weiteren zwei Mal jeweils einer Flasche Cola statt Obst (das nun wirklich auf jeder Raststätte erhältlich ist) und öffentlicher Zurschaustellung meine Gipsklumpens nähern wir uns mit drei heißen, halbvollen Colaflaschen und einem heißen Bein im heißen KTW Berlin - Ausfahrt Ku'damm. Die Liebste hat nach vielen Telefonaten ein Plätzchen im ultimativen Knochenflicker-Krankenhaus reserviert, ich habe Moritzens TomTom auf Caspar-Theys-Straße statt Benjamin-Franklin-klinikum umprogrammiert und nach 9 Stunden wurden mein Gips und ich wieder ausgeladen. Ich hab's geschafft - alles ohne Piss-Ente!

18 Juni, 2007

Der Fall: Episode 15

Jetzt mussten mal angenehmere Gedanken her, legen wir nochmal den Chip mit dem Augenfilm ein:

In den zweieinhalb Tagen vorm Fall befuhr ich auf knapp 1300km so ziemlich alles, was Spaß macht und Kurven hat. Jenesien, Penser, Jaufen, Kaiserstraße, rüber zum Gardasee, die göttliche Supermoto-Strecke von Gargnano zum Idrosee, Brocon, Vezzena. Schneeregen und 1 Grad um 19:00 auf dem Sella. Außer dort, um nicht zu erfrieren, und auf dem Manghen (Polenta mit Hauswurst, manchmal noch ein Crambambuli mit Espresso, ist persönlicher Kult) wurde auf keiner Passhöhe angehalten. Zu viele herumstehende Selbstverpfleger aus dem Topcase. Viele Espressi und der eine oder andere Imbiss wurden in Cafés und Trattorien in kleinen Dörfern genossen, wo keine Touris und Beika störten.

Abends war im Hotel immer gerade noch das Fünfgangmenü zu bekommen, wenn ich es 3 vor 8 beim Reinstürzen noch vorm Umziehen orderte. Werde die nächsten 5 Wochen bei jedem Krankenhausfraß-Vorsetzen weinen.

Unterdessen sind wir schon an Kufstein vorbei. Der Bildschirm über meinem Kopf zeigt in großen bunten Buchstaben "MALTESER", das rote Akvavit-Kreuz, Zeit, Datum und Innentemperatur. Diese pendelt zwischen 34 und 38 Grad. Wie war das? Hoch und kühl lagern!

Pause: Max und Moritz müssen wieder rauchen, derweil wird durch alle Türen und Klappen frische Luft in den KTW gelassen. Max und Moritz haben Hunger. Ob sie mir was mitbringen sollen? "Ja, Obst". Holländer und sächselnde Ostrentner glotzen rein. "Huhu!". Zehn Minuten später bekomme ich eine Flasche Cola. "Obst gab's nich!".

17 Juni, 2007

Der Fall: Episode 14

Vorm Verladen stellten sie sich immerhin noch vor. Nennen wir sie Max, der Sanitäter, und Moritz, der Zivi bzw. FSJler.

Wir befanden uns wieder am Lieferanteneingang. Moritz rangierte den rot-gelben VW-Bus mit Hochdach und "ADAC-Rückholdienst"-Beschriftung rein. Es stank nach kaputtem Kühlschrank.

Ich wurde reingeschoben, Max fläzte sich in den Begleitersessel und ab gings. In der ersten Kurve fiel der Fuß samt Gips nach links. Aua! Max stellte das schwere Gips-Kunstwerk wieder gerade. Ich hatte noch den Hinweis in den Ohren, dass das Bein hoch und kühl gelagert werden soll. Max legte ein weiches Kissen drunter. OK, 8mm höher lag es jetzt, dafür umso labiler. Eine Schiene zum Hochlegen war nicht an Bord. Warum auch, meinte Max. Man hätte ihm gesagt, es wäre nur ein schlimmer Fuß abzuholen. Sonst hätte er so etwas selbstverständlich eingeladen. Er versuchte, den rumfliegenden Gips mit einer Decke zu bändigen - vergebens.

Dann öffnete er erst mal eine Tupperdose und löffelte sein zweites Frühstück - Blumenkohlsalat. Für mich blieb der unangenehme Geruch von Kohl. Das Garmin und Telefon lagen in Reichweite. Garmin sagte, dass wir nördlich fahren, wahrscheinlich über Bruneck nach Brixen. Keine wesentlichen Pässe, aber viele Kurven, die das Bein nach links und rechts knicken ließen.

Es geht aufwärts. Je höher wir kamen, desto wärmer wurde es. Max stellte fest, dass die Klimaanlage nur noch warme Luft rauspustet. Das war also der Kaputter-Kühlschrank-Geruch.

Blick aufs GPS: Noch 20 km bis zur Brennerautobahn. Blick zum Krankenwagenhimmel: Ein fetter Riss. "Das ist aber 'ne alte Karre, bricht schon durch und Klimaanlage im Eimer". Max: "Nein, ist eineinhalb Jahre alt. Hat allerdings schon 577.000 km runter". Upps, wie schafft man 1000km pro Tag? Max schläft wieder ein, den Gips halte ich unterdessen krampfhaft selbst fest.

Der Fall: Episode 13

Das Aufwachen führte wegen der Postkarte vorm Fenster wieder zu kurzer Verwirrung, die schon laufende Show im TV erinnerte mich aber wieder schlagartig an meine derzeitige Lokation.

Nach dem Frühstück (nur Kaffee getrunken - ich will keine Bettpfanne) bei der Visite erfuhr ich beiläufig, dass heute der Tag der Abreise sei. Sofort beim ADAC Mailand angerufen und erfahren, dass ich um 10 geholt werde. Ein Flug werde es trotz über 1000km nicht. Derweil organisierte die Liebste in Berlin einen Krankenhausplatz.

Um 11 lag ich immer noch zwischen Postkarte und der unterdessen eingetroffenen Großfamilie des fingerlosen Bettnachbarn. Jeder brachte etwas zum Essen mit. Als sei es eine Krankenstation im Busch ohne Vollpension. Der Arme wird spätestens Mittwoch platzen. Wäre schön, wenn ich bis dahin weg bin.

Um 11:20 war es dann so weit. Ein rot und ein weiß Gekleideter stürzten rein, als müssten Geiseln aus einem Schurkenstaat befreit werden oder zumindest deutsche Staatsbürger dem Zugriff von Dritte-Welt-Medizinmännern entrissen werden. Ich fand diesen poltrigen Auftritt unmöglich. Der rot gekleidete war wohl der Chef, der weiß gekleidete der Zivi bzw. FSJler. Er war auch der zivilisiertere von beiden. Dem roten gefiel wohl meine Decke mit dem eingestickten Namen der Pucci-Klinik. Die wurde mit einem Spruch wie "Die ist meine" einfach eingesackt. Sammelt der die, ist er Deckenkleptomane oder finanziert sich so der Malteser-Hilfsdienst?

Zum Abschied vom wirklich netten Pflegepersonal blieb keine Zeit, die schmissen meine Habseligkeiten neben mich ins Bett, schoben mich gleich in den Fahrstuhl und weg war ich. Manche Landsleute sind einfach peinlich.

14 Juni, 2007

Der Fall: Episode 12

Da hat er extra einen sehr langen Sonntagsausflug durch die eigene Heimat unternommen, um einen Expertenblick auf Bein und Röntgenbilder zu werfen. Außerdem konnte er mit dem Arzt sprechen und mir auch Feinheiten übersetzen. Willi, der sonst in Meran Ski- und Motorradfahrerknochen wieder zusammensetzt, runzelte allerdings die Stirn wegen des fest verschnürten Beins, das eigentlich für die Schwellungen viel mehr Platz und vor Allem Kühlung benötigte.

Er hatte soooo recht, wie sich später zeigte. Er brachte es verständlicherweise nicht übers Herz, als fremder Jungarzt dem zuständigen Altarzt einen Fehler vorzuwerfen.

Außerdem konnte Willi noch ein logistisches Problem lösen, indem er die Hotel- und Autoschlüssel 100km über die Berge nach Steinegg brachte und dort die Rechnung beglich.

Der ADAC rief wieder an. Man wusste immer noch nicht, wann und wie man mich nach Berlin bringen könne. Und wo das Motorrad abgeblieben ist, wisse man auch nicht. Ich beichtete, dass ganz woanders auch noch ein Auto stünde und man die Buell, so sie gefunden wird, einfach dort reinstellen könne. Dann müsste nur ein Fahrzeug rücktransportiert werden.

Die nächste Nacht begann. Schmerzmittel und der Sound von platten Fernsehshows ließen mich relativ gut schlafen. Im Gips kocht und brodelt es. Die Knochenteile müssen beim Absturz den Muskeln und Gewebe im Unterschenkel mächtig zugesetzt haben,

13 Juni, 2007

Der Fall: Episode 11

In der Nacht hatte ich wildes Hirnkino. Daran werden wohl die Schmerzmittel, die unentwegt aus dem Tropf tropften, nicht unbeteiligt gewesen sein. So ging es auch die nächsten Nächte weiter. Wenigstens gab es im Schlaf keine Langeweile.

Sonntag. Da liegt man rum und grübelt. Am besten den Fall mal genau analysieren und alles aufschreiben, dann bringt Grübeln auch Ergebnisse.

Ich konnte durchs Fenster nur die veränderbare Postkarte sehen. Die Stadt war nur akustisch wahrzunehmen. Das typische Gehupe, aber auch die vielen Sounds unterschiedlicher Motorräder drangen herein. Bollernde Eintöpfe, seltener kreischende 4Zylinder, was hier fast immer Hornets sind. Touri-Moppeds sind gemeinhin unhörbar. Zwischendurch mal ein V2, meist Ducatis. Da habe ich immer gleich das Bild vor Augen, wie sich senkrecht aufsteigenden dicken Rohre zum Underseat-Dämpfer durchs Rahmengeflecht würmeln.

Da! Wieder so eine tonschöne 998. Kommt näher. Fährt offensichtlich viele Spitzkehren. Nee, ist keine Duc. Die Zündabstände sind anders, die Schaltdrehzahl niedriger. Dann ist sie ganz nah und wird abgestellt. Das muss direkt unter meiner Postkarte sein. Ein letztes Schnüff-Ansaug und Poff-Absaug - die Vermutung bestätigt sich. Das kann nur eine Buell mit adäquater Abgasanlage sein!

Zwei Minuten später steht Willi im Raum. Auch ihn erreichten offenbar die Buschtrommeln. Als er in Moppedmontur reinkam, wurde er vom Personal auch ohne Fragen gleich in mein Zimmer geschickt. Welch Freude!

Der Fall: Episode 10

Der Tag des Falls geht zu Ende. Es wird dunkel über Cortina d'Ampezzo. Die erste Nacht mit kaputtem Bein. Bettnachbar schaut Shows.

Ein kurzes Trost-Telefonat noch mit der Liebsten und wieder mal festgestellt, dass ein Handyakku immer dann zur Neige geht, wenn er dringend gebraucht wird und keine Lademöglichkeit in der Nähe ist. Angesichts der noch bevorstehenden Telefonate hieß es: Kurz fassen!

Das Bein schmerzt höllisch und kocht vor sich hin.

So ist also Krankenhaus. Anlässlich meiner Geburt und dann als Fünfjähriger mit Leistenbruch bin ich zum letzten Mal im Krankenhaus gewesen. Bis auf Zahnarztbesuche beschränkten sich Arzttermine aufs Abholen von Rezepten für Malariaprophylaxe und Gelbfieberimpfungen - im Sanitaswesen bin ich also absolutes Greenhorn. Das wird sich in den nächsten Wochen ändern.

Ach ja, bin ja heute das zweite Mal in Cortina. Bei der ersten Einfahrt wurde ich auch noch dauernd von anderen Moppeds überholt, was sonst äußerst selten passiert. Warum? Zwischen Falzarego und Pocol stand ein nicht gerade kurzer oder leichter Typ aus Ösiland neben seiner luftlosen LC8 und winkte mich ran. Ich halte natürlich an, weil ich Reifenstöpsel dabei hatte. Weil es aber Schlauchreifen waren, wo die Flickmethode nicht funktioniert, sprang er einfach hinten drauf und meinte "Nächste Tankstelle in Cortina". Ich bin zu weichherzig. Eine S1-Einsitzer hätte jetzt Punktevorsprung. Dann hatte der Typ auch noch Körperkontaktphobie und wollte sich nicht richtig an mir festhalten, so dass es ein Graus war. Wackelpuddingtransport mit Verlustängsten. Und das Schlimmste: Erst als er abstieg, sah ich, dass er die Rasten nicht runtergeklappt hatte. Daher dieses Rumgeeiere!

08 Juni, 2007

Der Fall: Episode 9

Klar hätte die Hinterradbremse mehr Wirkung gezeigt, wenn ich sie nicht blockiert hätte. Aber Solo-Hinterradbremsen habe ich nie trainiert, welchen Anlass gäbe es auch dafür? Ich kann nur - abgestimmt auf die Fahrbahnhaftung - jederzeit und schlagartig das Vorderrad beim Bremsen zum Wimmern bringen und bin sicher, dabei auf trockener Straße jeden ABS-Bremser zu unterbieten, selbst beim Notbremsen in Schräglage..

Aber die 6 Kolben der Bremszange hatten ja ihren Dienst vollständig eingestellt - der Befehl vom Master-Kolben in der Handpumpe kam bei ihnen nicht an.

Übertragungsmedium ist in meiner Buell Bremsflüssigkeit vom Typ DOT 5, trotz sehr langer Wechselintervalle gerade im letzten Jahr getauscht. Das ist dieses nicht-hygroskopische Zeug auf Silikonöl-Basis , dem Erik wohl auch nicht so traute, denn spätere Buell haben DOT 4 (DOT 5.1 ginge auch, sh. Buell-FAQ) , das Wasser in Lösung nehmen kann.

Die meisten, die das ganz plötzliche Bremsenversagen kennen gelernt hatten, fuhren DOT 5. Meine Theorie dazu:

Irgendwie kann und muss Luft in den Vorratsbehälter gelangen, denn mit dem Verschleiß der Beläge sinkt der Flüssigkeitsstand. Eventuell gelangt ein Teil der vielleicht feuchtwarmen Luft auch mal unter die Gummimembran, worauf sich ein paar H2O-Moleküle in einer kalten Winternacht kondensierten und in die Bremsflüssigkeit fielen. DOT 4 oder 5.1 assimilieren das Minitröpfchen und nach vielem, vielem Bremsen sind die Wassermoleküle gleichmäßig in der gesamtflüssigkeit verteilt. Es ist immer nur ein kleiner Teil des Ur-Tröpchens in der Bremszange.

Ganz anders das Ur-Tröpchen in DOT 5. Hier wird keine Verbindung eingegangen. Wasser ist schwerer als das Silikonöl und irgendwann sitzt die winzige H2O-Molekülansammlung unten in den Stoppern. Während des Bremsens, wenn die Hitze von der glühenden Bremsscheibe über die Beläge an die Kolben und Zange gegeben werden, kann das Wasser gegen den Druck nicht aufkochen. Die letzte Serpentine konnte noch voll und mit wenig Hebelweg angebremst werden. Die Bremse wurde nicht weich. Aber auf den 800m zum nächsten Bremspunkt kochte das Ur-Tröpchen in der Drucklosigkeit auf, das nötige Volumen wurde durchs Zurückdrücken in den Vorratsbehälter geschaffen und auch 10maliges Pumpen reichte dann nicht mehr, das Dampfbläschen zu komprimieren. Übrigens hat die Bremse jetzt nach 5mm wieder kräftigen Widerstand

07 Juni, 2007

Der Fall: Episode 8

Seitwärts und aufrecht in die Leitplanke einzuschlagen, war auf jeden Fall besser als frontal, weil es die Gabel schont und der Flug nicht ganz so weit ging. Schließlich ging es hinter der Leitplanke steil bergab. Vorher ablegen, wenn eine Leitplanke droht, wäre das Blödeste, was man man tun könnte. Es hat schon mehr als einen Motorradfahrer dabei schlicht zerteilt, wenn er an die Planken-Füße geschleudert wurde.

So cool, jetzt noch schnell Beinchen zu heben, war ich dann doch nicht. Beim Aufprall war das linke Bein also noch zwischen Planke und Rahmen und wurde dabei ziemlich zerquetscht, die kinetische Energie zog mich gleichzeitig weiter nach links über die Planke und nach einer gewissen Flugstrecke kugelte ich, was ich ganz bewusst wahrnahm, die steile Böschung runter. Es staubte auch mächtig.

Es war wohl nicht sehr schlau von mir, sofort wieder mit dem Aufstieg zu beginnen, denn am Anfang spürt man keinen Schmerz. Erst als das Hangkraxeln nicht so recht erfolgreich war, merkte ich, dass der linke Fuß nutzlos an der Hose hing.

So sind wir wieder bei Episode 1.

Was war nun mit den Fotos, die jemand mit meiner Kamera geschossen hatte und die ich ich mir nun im Krankenbett anschaute? Das eine zeigte zwei Finger des netten Fotografen, die ohne Kraftaufwand den Bremshebel an den Gasgriff legten. Beweis für das Vorliegen des typischen Buell-heiße-Bremse-Syndroms, das schon so viele erlebt haben. Es kann 15 Minuten dauern, bis wieder Druck aufgebaut werden kann.

Auf dem anderen Bild war die Bremsspur sichtbar, die zeigte, dass auf langer Strecke geradeaus nur Geschwindigkeit abgebaut wurde (unglaublich, wie wenig das verzögert) und im letzten Moment mit weiterhin blockiertem Hinterrad der Haken in die Kurve geschlagen wurde. Ich war etwas stolz auf mich.

27 Mai, 2007

Der Fall: Episode 7

Es ist eine relative innere Ruhe eingekehrt. Über die Unfallursache musste ich nicht mehr nachdenken. Diese war mir von Anfang an klar. Es fehlten nur noch die Fotos vom Unfallort, die ich mir jetzt in Ruhe anschaute.

Die wesentlichen zwei Bilder sind was geworden. Das eine bewies den Grund, das zweite, dass ich intuitiv richtig gehandelt hatte, als nichts mehr zu retten war.




Die Lust beim Bergfahren resultiert aus der brachialen Beschleunigung bergauf, die man im Minutenabstand auskosten kann, aus der Wahl der richtigen Linie und Kurvengeschwindigkeit im Verhältnis zu Reifentyp- und Temperatur, Fahrbahnbelag, Fahrbahnneigung, Kurvenradius, -Länge, der zur Verfügung stehende Platz und Einfluggeschwindigkeit. Das Bremspunktsetzen und dann das brutale Bremsen, um nur keinen Meter zu viel zu verschenken, ist geade beim Bergabfahren über Serpentinen wie Fallschirmspringen, bei dem in ganz kurzen Abständen durchs Beschleunigen abgesprungen und das Reißleine-Ziehen im allerletzten Moment zelebriert wird - sonst schlägt man ein. Kein Raum für Unvorhergesehenes.

In meinem "Fall" riss die Reißleine.

Was sind schon Rentner-Fahrkrücken wie ABS, ASR, ESP und EMP (nee, das war was anderes) gegen Eriks geniales System, die Bremse nach erkannter Überlastung einfach abzuschalten. Dieses System funktionierte perfekt. Schlagartig kein Druck im System, und das mit einer solch stählernen Konsequenz, dass selbst schnelles Pumpen nichts mehr brachte. Das hatte ich zwar schon bei Buell mehrmals erlebt, aber immer mit Ankündigung.

Die Rechtskehre kam rasant näher.

Wie als Kind schon mit dem Fahrrad, später per Enduro zur Verkürzung des Bremswegs auf Schotter geübt und natürlich zum Erzeugen brutaler Geräusche und Staub, blockierte ich die hintere Bremse und drückte das Hinterrad nach links außen, um möglichst seitlich und nicht frontal einzuschlagen. Auf der allerletzten Rille die Kurve zu nehmen, wäre nur mit der eigentlich geplanten Brutalbremsung möglich gewesen. Größerer Radius ging auch nicht, weil er wegen festgestelltem fehlenden Gegenverkehrs schon extrem großzügig war. Also wenigstens seitwärts rein in die Planke.

Der Fall: Episode 6

Es ist zwar erst Samstag, dachte sich Houdini, aber packen wir ihn mal schon versandfertig ein. Dann haben wir keine Mühe mehr, wenn Montag die Post geht.

In der Ecke klingelt ein Telefon. Meins. Peinlich, soll man doch in Krankenhäusern ausmachen. Man bringt es mir. Ralf aus Düsseldorf dran: "Na, wie geht's Dir?" - "Geht so. Werde gerade eingegipst".

Es wurden dicke Batzen aus dem Gipsbottich geholt, die Knochen irgendwie hinsortiert und nochmal geröntgt. Anschließend wurde der Liebsten schonend vermittelt, dass eigentlich schon alles vorbei ist und ich mich auf dem Wege der Besserung befände. Dabei war ich noch nicht mal auf dem Weg zum Krankenzimmer.

Dann kam die nun doch noch wiederverwendbare Kleidung zusammen mit dem Tankrucksack (Vorsicht! Voller Werkzeug und elektronischem Spielzeug!) in einen großen Müllsack und ich zusammen mit ihm in den Fahrstuhl und von dort ins Zimmer. Umbetten ist sehr schmerzhaft. Dieser willenlose Fuß klappte immer wieder zur Seite. Klick-Klack an den Tropf, ein lange nicht mehr gesehenes Quecksilberthermometer immerhin in die Achselhöhle geklemmt. Viele Schwestern wuselten rum, ziemlich multikulti, aber alle nur italienisch sprechend (wahrscheinlich auch Filipino, Thai und rumänisch).

Habe mir noch Handy, PDA und Digiknipse geben lassen. TV lief natürlich.

Italienisches Fernsehen ist Folter. Selbst wenn man nicht hinschaut. Überdrehte Stimmen treten in den Schlag auf Schlag folgenden Shows auf und überschütten sich eigentlich nur mit gegenseitigen Komplimenten. Meinem bedauernswerten Bettnachbarn, der sich gerade 4 Finger abgefräst hatte, wollte ich nicht die Freude nehmen.

Ein Blick zum Fenster raus. Dort hat man eine große Postkarte in den Fensterausschnitt geschoben. Im Vordergrund zwei Lärchen (keine Vögel), dahinter Dolomitenpanorama mit Schnee auf den Spitzen. Die Postkarte wurde sogar mehrmals täglich ausgetauscht, was an unterschiedlichem Lichteinfall erkenntlich war - und das sogar stufenlos!

Der Fall: Episode 5

Dort erwartete uns ein Arzt, der glücklicherweise ein wenig deutsch sprach, sehr zurückhaltend - fast cool - war und wahrscheinlich aus dem persischen oder arabischen Kulturkreis stammte. Nennen wir ihn Houdini.

Er, drei Schwestern aus aller Herren Länder und der Hausmeister standen im halbdunklen um mich herum und klopften überall mal. Da nur beim Klopfen aufs linke Bein das Lächeln aus meinem Gesicht schwand (meine Fresse, hätte ich schreien können!), stand fest, dass Hose und Stiefel runter müssen. Ich machte mit den Fingern als Zeichen, dass sie alles aufschneiden sollen, das Schnipp-Schnapp einer Schere nach, was empört zurückgewiesen wurde.

Vier Kletts und zwei Reißverschlüsse offen - und der linke Stiefel saß immer noch bombenfest. Beim Ziehen merkte ich, wie sich die gebrochen Knochenteile voneinander entfernten und machte wieder die hektischen Scheren-Bewegungen. NO!

Drehen ging auch nicht. Der Fuß drehte einfach mit. Also schlüpfte die eine Schwester mit ihrem schmalen Thai-Händchen in den Stiefel und hebelte den Fuß raus.

Man weigerte sich ebenfalls, die Hose aufzuschneiden. Wahrscheinlich war kein Bolzenschneider zur Hand. Mein gutes altes Teil! Hat mich schon 12 Jahre beschützt, besteht aus richtig dickem Mammutleder oder so, war mal schwarz, aber an den Stellen, wo viel Sonne und wenig Lederfett hinkamen, ist sie eher grau. Sie macht mit ihren Protektoren eine breite Hüfte, Knie-Hartschalen aus dem Endurobereich und dicke fette Schienbeinschützer wurden mal nachgerüstet und eingenäht. Das Ding zusammen mit den stabilen großen Daytonas hat mich ganz sicher vor schwereren Gelenkverletzungen an Knie und Fuß bewahrt.

Merkt's euch: Nie ohne Lederhose und Rückenprotektor!

Während ich so in Dankbarkeit an meine hässliche Hose dahinschmolz, war sie auch schon runter.

Jetzt die Fotos. Der ältere Graukittel mit der großen schwarz geränderten Kulleraugenbrille lebte wohl hier unten im Röntgenreich. Also war's doch nicht der Hausmeister. Er schob mich in sein Labor und sagte beim Anecken, Ausrichten, Plattenhinlegen, Keimzellenabdecken und Schalterstellen immer nur "oh, oh!" - sonst kein Wort. Extrem langsame, bedächtige Bewegungen mit auffällig langen Innehaltungssequenzen. Ich glaube, hier darf keiner rein - nur er darf die Apparaturen bedienen, er macht sie auch selbst sauber, wartet sie, und wenn er mal seiner Mutter Blumen bringen muss, bricht sich auch niemand die Knochen.

Zurück im Behandlungsraum sahen sich Houdini und ich die Röntgenaufnahmen an. "Operation!" meinte er. Als Laie hätte ich das auch gesagt. "Wo?" fragte er. Ich. "egal". Er: "ADAC? Dann besser in Deutschland". Na gut.

Der Fall: Episode 4

Während der Lieferanteneingang hinterm Haus näher kam, kamen auch die Erinnerungen an die letzten Tage. Nein, dass jetzt das Leben im Zeitraffer durchgespult wird, wird nur in billigen Romanen kolportiert.

Ich kam in der Nacht zum Donnerstag nach der Arbeit angedieselt, habe es mir irgendwo am Penser an einem Seitenweg mit einem Glas Roten und Schlafsack neben der Buell hinten in der Klempnerkiste gemütlich gemacht, noch ins Tal hinabgeblickt und -geschifft und bin dann selig eingeschlafen.

bratfertig zum Lustfahren

Drei Tage Lustfahren waren geplant, die ich mal ohne Rücksicht auf eine Gruppe ausleben wollte. Rauchpausen machen jeden Flow kaputt. Auch meine Liebste hat's mir von Herzen gegönnt (sie hatte andere Termine).

In der Frühe im Hotel eingecheckt und ab auf die Pisten. Ritten, Jenesien zum Warmfahren, die kleinen Straßen zwischen Wein und Obst, die Wassermühlenschlucht bei Fondo, Glück gehabt am eigentlich gesperrten Mendola, der gerade zur Rennstrecke ausgebaut wird.

Das Treffen mit Pascal fiel aus. Seine Petra ist noch frisch auf Krad und hat noch Freude an kurvenfreien Straßen. Ich nicht so. Freue mich aber auf ihren Reisebericht. Die, die Neues gerade erst erlebt haben, schreiben am Besten.

Der Vito-Gleiter landete in der Tiefgarage, der Turbo drehte runter und die 4-Mann-Besatzung startete auch nicht wieder gleich durch, sondern wollten erst einmal wissen, dass ihre Ladung hier auch gut aufgehoben ist. Vielleicht warteten sie auch auf ihre schöne HighTech-Trage.

Luigi verabschiedete sich dann mit einem Klapps auf die Schulter, was auch als rustikaler Hinweis auf Zerrungen und Prellungen auf den darunter befindliche Skelettapparat deutbar wäre.

Dann wurde ich ins dunkle Reich geschoben.

Der Fall: Episode 3

Mit Hightechkram (sah aus wie mein gemütlicher Styroporkrümel-Sitzsack, aus dem die Luft gesaugt wird) fixierten sie das willenlos rumbaumelnde Bein, Schoben links und rechts neben mir 2 sehr ästhetisch designte Alu-Teile zu einer Trage zusammen und schnallten mich fest.

Endlich konnte ich das Grasbüschel loslassen, mit dem ich mich bislang in Position hielt. Sechs Mann versuchten, den wirklich sehr, sehr steilen Hang mit mir hochzukommen und ich verspürte das Bedürfnis, wieder den Helm überzustülpen.

Ohne weitere Abgänge lag ich dann im Wagen. Die Schlitze über den Milchglasscheiben gaben den Blick frei auf das vorbeiziehende Bilderbuch-Alpenpanorama. Luigi erzählte von der Eisdiele seines Schwagers in Bochum, wo er vor 12 Jahren mal für 3 Tage war. Und er bemühte sich, hier und da ein deutsches Wort einzuflechten. Trotzdem war fast alles zu verstehen und er war ein angenehmer Reisebegleiter.

Der Meister am Vito-Volant hat das Hin- und Hergefliege in den Kurven fast weggezaubert. Immerhin musste er den Passo di Giau auf der schnellkurvigen Seite wieder rauf, auf der Fitzelkurvenseite wieder runter, über den Passo Pocol und dann noch die Kurven zum Krankenhaus rauf, das wie ein Kurhotel aussah.

Wurden hier in Cortina d'Ampezzo nicht Szenen des James Bond gedreht, in denen die Bösen mit Yamaha XT500 mit MGs in den damals noch recht großen Blinkern James und seine Gespielin über die Skipisten jagten?

Der Fall: Episode 2

Ein italienischer Motorradfahrer, der etwas deutsch sprach, war mit Almbauer und noch einem Italiener unten. Von oben gafften unterdessen Beiker aus ihren rot-schwarzen oder schwarz-blauen Goretex-Blasen. Die Zeit bis zum Einteffen des servizi di soccorso musste überbrückt werden und ich brauchte Material zur Absicherung meiner eigentlich bombenfesten Theorie, weshalb ich hier rumlag. Also mal nach oben gefragt, ob einer deutsch spricht. Logisch - alle, so wie die aussehen. Schreck! Huch, es spricht!

Ja Jungs, wird sind hier nicht im Theater- hier macht das Publikum mit! Naja, einer war dann doch kommunikationfähig. Dem erklärte ich, wo im TaRuSa die Knipse lag und wenn sie noch funktionierte, solle er mal ein Gigabyte verbraten. Danke an den Herren, ich habe jetzt gesehen, was ich wollte - Aufnahmen sind was geworden. Nur wie kaputt die Buell auf der linken Seite ist, weiß ich nicht.

Ganz anders als die im Würgegriff eines Großkonzerns befindlichen ADAC-Ladies in Mailand war der Auftritt der Jungs vom Rettungsdienst, die hier weitab größerer Siedlungen schon nach 30min mit ihrem Vito-Raumschiff aufkreuzten. Die kannten ihren Job, waren gut ausgerüstet und nicht durch "Info-Systeme" zu Handlangern praxisfremder SQL-Fummler degradiert. Im Winter schienen sie Skifahrerknochen, dazwischen bergen sie geknickte Knöchel an Knickebockerkameraden und im Sommer werden Motorradfahrer eingesammelt, die sich nicht mehr innerhalb der Fahrbahnmarkierungen befinden.

Der Fall: Episode 1

Der Fall: Episode 1

Ein Unfall im Ausland schleuderte mich in einen bis dato völlig unbekannten Kosmos - in das Gesundheitswesen. Und erstmals musste ich erleben, dass ich ohne die Hilfe Anderer hilflos bin.

Der einzige flüchtige Gedanke daran führte vor unendlich langer Zeit zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung und der ADAC-plus-Mitgliedschaft. Dann kann ja nix passieren, wenn etwas passiert.

Jetzt ist es passiert.

Da die einzige Abwechslung im Krankenhaus der PDA ist und es diesen auch nicht zerschmettert hat, vertreibe ich mir jetzt die Langeweile mit Geschichtenerzählen. Das hat zwar nur bedingt mit Buell zu tun und ist nicht so existenziell wie X1-Elektrikprobleme, dafür sind die Beiträge zum einfachen Nicht-Lesen deutlich gekennzeichnet Und nicht rechtschreibgeprüft.

Zurück zum "Fall":
Bewunderung stieg auf angesichts der aufgebauten Systeme. Während ich noch 20 Meter unterhalb der Passstraße im Staub lag, fummelte ich, bevor mich diverse Prellungen bewegungsunfähig machten, die ADAC-Mitgliedsnummer raus und gab den genauen Ort zur Sicherstellung des Fahrzeugs durch. Ein Almbauer alarmierte bereits die Ambulanza.

Der ADAC rief gleich wieder zurück und ich erklärte alles ein zweites Mal (ich hatte ja Zeit, lag bequem und konnte mich mit den gebrochenen Knochen Dank der Hilfe Einheimischer gerade so am Hang halten). Begründung für den Rückruf: Der Datensatz mit meinen ersten Infos wäre wohl unauffindbar. Schön, dass da doch noch ein Mensch war, der bemerkt hat, dass die Daten verschwanden. Sonst stünde noch in 10 Jahren eine krumme Metallplastik mit Kunststoffapplikation, geschaffen vom unbekannten Künstler, in Tornante 12. Fazit: Engagierte Mitarbeiter, Infosystem offensichtlich schwach, weil für die Bediener nicht nachvollziehbar.